LG Frankenthal – Az.: 6 O 342/18 – Urteil vom 26.11.2019
1. Das Versäumnisurteil vom 21.05.2019 wird aufrechterhalten.
2. Die Klägerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche aus Filesharing hinsichtlich des Computerspieles „Dying Light“ (20 Verstöße, Tatzeit vom 05.05.2015 bis 28.05.2015).
Die Klägerin ist ein Softwareunternehmen. Die Klägerin entwickelt und vermarktet Unterhaltungssoftware.
Die Erstveröffentlichung des Computerspiels „Dying Light“ fand in Deutschland am 27.01.2015 statt. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu dem Veröffentlichungstermin tauchten in den sog. Peer-to-Peer („P2P“) Netzwerken Raubkopien dieser Software auf, die zum Filesharing bereitgehalten wurden, so im Zeitraum vom 05.05.2015 bis 28.05.2015 20 Mal auch über den vorgehaltenen Internetanschluss des Großvaters des Beklagten A. Diesen Rechtsverstoß beging der Beklagte. Der Beklagte ist am 24.12.2004 geboren. Die Datei ist beim Beklagten nicht mehr vorhanden.
Die Klägerin mahnte zunächst den Großvater des Beklagten mit Schreiben vom 06.08.2015 ab und forderte ihn auf, eine klaglos stellende Unterlassungserklärung abzugeben. Nachdem mitgeteilt wurde, dass der Beklagte die Verletzungshandlung beging, wurde er mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2015 auf Schadenersatz und Auskunft in Anspruch genommen.
Mit Versäumnisurteil vom 21.05.2019 ist die Klage abgewiesen worden. Das Versäumnisurteil ist am 24.05.2019 zugestellt worden, Einspruch ist am 07.06.2019 eingelegt worden.
Die Klägerin trägt vor, sie sei ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin des streitgegenständlichen Spieletitels „Dying Light“. Ihr stehe gegenüber dem Beklagten zum einen Schadensersatz zu, welcher sich wie folgt zusammensetzt: Anwaltsgebühren der Abmahnung gegenüber dem Anschlussinhaber in Höhe von 984,60 € und lizenzanalogen Teilschadensersatz in Höhe von 3.750 €. Weiter stehe ihr gegenüber dem Beklagten ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten der Abmahnung in Höhe von 347,60 € zu, welchen sie aus einem Streitwert von 4.000 € berechne, zzgl. einer Auslagenpauschale von 20 €.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2015 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 3.750 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2015 zu zahlen,
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 347,60 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 16.10.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Rechtsinhaberschaft sei zu bestreiten. Es fehle substantiierter Vortrag zu den Ausschließlichkeitsrechten. Der Beklagte habe im Tatzeitraum, als Zehnjähriger, keine Einsichtsfähigkeit in sein Handeln gehabt, da ein Anbieten an Dritte bei einer legalen Plattform wie Steam nicht erfolge. Beim Herunterladen des Spiels von einer „illegalen“ Plattform wird durch einen technischen Vorgang, das Spiel quasi „automatisch“ zum Herunterladen für andere angeboten. Der Beklagte habe nicht gewusst, dass er widerrechtlich handele. Dies sei eine Überforderungssituation gewesen. Auf einer „illegalen“ Plattform sei kein Hinweis auf das Verbotene des Tuns zu erkennen. Es sei nur angegeben: wenn du das Spiel möchtest, klicke auf den Link. Dies habe der damals Zehnjährige nicht durchschaut, sein Interesse sei ausschließlich darauf gerichtet gewesen, das Spiel spielen zu können.
Die Kammer hat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwalt B als Zeugen und den Beklagten vernommen, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.10.2019 Bezug genommen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 01.10.2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Einspruch ist gem. §§ 341, 339 Abs. 1, 340 ZPO zulässig, insbesondere ist er form- und fristgerecht eingelegt. Die Klage ist jedoch unbegründet.
II.
1.
Die Klägerin ist zur Geltendmachung von Ansprüche gemäß §§ 97, 97a UrhG aufgrund von Urheberrechtsverletzungen nicht aktivlegitimiert. Zur Geltendmachung sind die Personen berechtigt, die Inhaber von nach dem Urheberrechtsgesetz gewährten absoluten Rechten sind. Das sind neben den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten auch die ausschließlichen Nutzungsrechtsinhaber (BeckOK, Urheberrecht, 26. Edition, § 97, Rn 2 bis 5). Die Klägerin als juristische Person kann nicht Urheberin im Sinne des § 7 UrhG sein.
Die Klägerin kann über §§ 69a ff. UrhG Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte sein, aber sie legte den Schöpfungsvorgang nach § 69 b UrhG nicht schlüssig dar, sodass diesbezüglich bereits nicht der von ihr angebotenen Vernehmung des Geschäftsführers nachzukommen war, darüber hinaus wurde dieser Parteivernehmung durch den Beklagten widersprochen. Der Klägerin gelang es im Rahmen des Verfahrens auch nicht, über die Vermutungsregel des § 10 Abs. 3 UrhG nachzuweisen, dass sie Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Computerspiel ist. Zwar sagte der Prozessbevollmächtigte als präsenter Zeuge in der mündlichen Verhandlung aus, dass das Computerspiel Dying Light auch als Datenträger verkauft werde. Auf der Umverpackung sei schon die Firma C mit Logo genannt. Das Spiel werde mit zwei Discs verkauft. Auf diesen Discs befinde sich ein Copyright-Vermerk für die Firma C. Der Klägervertreter zeigte sodann auf seinem Handy ein Lichtbild mit einer Disc vor. Hierauf war zu sehen, dass ein Copyright-Vermerk zu C vorhanden war und die Jahreszahl 2015. Weiter bekundete der Klägervertreter, dass er dies auch aus eigener Kenntnis bekunden könne, da das Muster in der Kanzlei vorhanden sei. Durch diesen Zeugenbeweis ist dem Kläger allerdings nicht gelungen die Vermutungsregel des § 10 Abs. 3 UrhG auszulösen, da ein auf einem Werk angebrachter Copyright-Vermerk die Vermutungswirkung nach § 10 Abs. 3 UrhG nur auslöst, wenn gerade auf die Ausschließlichkeit der Rechtseinräumung hingewiesen wird. Da ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte wegen verschiedener Nutzungsarten vergeben werden können, muss zusätzlich eindeutig angegeben werden, auf welche Nutzungsrechte sich die exklusive Rechtseinräumung erstreckt (vgl. OLG Hamburg, Az: 3 U 220/15, Urteil vom 27.07.2017). An einem solchen zusätzlichen Hinweis fehlt es vorliegend.
2.
Desweiteren würde ein Schadensersatzanspruch gegen den im Tatzeitraum zehnjährigen Beklagten auch an der damals mangelnden Einsichtsfähigkeit scheitern. Zwar besteht eine Vermutung für seine Einsichtsfähigkeit (vgl. Palandt, BGB, 76. Auflage, § 828 Rn 6), diese konnte er jedoch im Rahmen des Verfahrens erfolgreich widerlegen. Die Kammer hat den Beklagten, der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unter 16 Jahre alt war, als Zeugen gehört (vgl. OLG Hamm, NJOZ 2003, 1258) und ist zu der Überzeugung gelangt, dass beim Beklagten bzgl. der streitgegenständlichen Handlungen keine Einsichtsfähigkeit vorlag. Der Beklagte besuchte im Tatzeitraum noch die Grundschule und gab glaubhaft an, dass er damals nicht ansatzweise verstanden habe, dass er sich auf einer Internettauschbörse befand, er habe vielmehr nur das Computerspiel herunterladen wollen und dies habe nicht einmal funktioniert. Er habe nur gewusst, dass manche Spiele Geld kosten, andere wiederum kostenfrei seien. Zur Überzeugung der Kammer steht daher fest, dass der Beklagte damals nicht wusste, dass er nicht nur das Spiel herunterlud, sondern sein Computer dadurch auch Teil des Tauschnetzwerks wurde, sodass andere Nutzer über seine Festplatte an das Spiel herankommen konnten. Der Schaden, den die Klägerin geltend macht, bezieht sich nicht auf den Down-, sondern auf den Upload, auf den Umstand also, dass der Beklagte plötzlich selbst zum Verteiler der Software wurde und dieses wirtschaftliche Verständnis fehlte dem Beklagten damals.
3.
Die Zinsansprüche waren mangels Hauptforderung auch abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 711 ZPO (BeckOK, ZPO, Ulrici, § 709, Rn 11).
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.082,20 € festgesetzt.